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=== Die ganze Grösse der Verantwortung… ===
=== Die ganze Grösse der Verantwortung… ===


=== Die Politik muss wieder zu einem… ===
=== Die Politik muss wieder zu einem Teil des Lebensweges werden ===


=== …verstanden wird, die ihrem Bau nach ebensowohl federal wie… ===
=== …verstanden wird, die ihrem Bau nach ebensowohl federal wie… ===

Revision as of 02:11, 30 July 2018

KPI Description

Title Draft Manuscript (unpublished) – N. t., 1920-1922
Author Polanyi, Karl
Description File consists of an unpublished hand-written draft manuscript in German by Karl Polanyi, a transcript typed in the 1980’s. 38p., and 10 unnumbered pages. Chapters contained in this file are titled "Der Glauben an die Wahrheiten der Wissenschaftslehre von der Soziologie", “Die ärztliche Wissenschaft bis zum Anbruch der grundlegenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen", and "Die richtige Weise sich gegenüber der Zukunft zu verhalten". Also included in the file is a fragment of a transcript from the early 1920’s. This transcript consists of three pages for a chapter titled "Der Glauben an die Wahrheiten der Wissenschaftslehre von der Soziologie", and two pages for a chapter titled “Die ärztliche Wissenschaft bis zum Anbruch der grundlegenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen". (See files: 01/53, 02/01, 02/03 to 02/09).
URI http://hdl.handle.net/10694/72
Date 2010-08-04

Table of Contents

Name M [1] T KP
Der Glauben an die Wahrheiten der Wissenschaftslehre von der Soziologie 1-14 37-43+48-51 1-14
... + Die neue Skepsis 45-47
Die ärztliche Wissenschaft bis zum Anbruch der grundlegenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen 14-31 51-67 14-25
Die richtige Weise sich gegenüber der Zukunft zu verhalten 31-36 67-71 31-36
Die ganze Grösse der Verantwortung… 86-89 37-38
Die Politik muss wieder zu einem… 89-90 No page
.....verstanden wird, die ihrem Bau nach ebensowohl federal wie… 90-94 15-19
...... Ist nun dieser Erscheinungsfall, der auch für die Naturwissenschaften als möglich… 94-95 47?
Der allerwesentlichste Unterschied ist der, dass wir den Kranken auch ohne Art lassen können… 95-96 23g-23h

Fragments


Text to translate from German into English

Der Glauben an die Wahrheiten der Wissenschaftslehre von der Soziologie

[37/1] Wir leben in einer Zeit der Prüfung. Nationen und Klassen, Staaten und Einzelne, erdulden seit sechs Jahren immer Schwereres. Und niemand zweifelt daran, dass das Mass[2] der Leiden noch nicht voll ist.

Nichts wäre selbstverständlicher als dass sich das Gebot zur rastlosen Bemühung um die Erkenntnis dessen durchsetzte, was die Ursache all dieser Qualen sei: und wie wir einzeln oder vereint, diese Ursache beheben könnten?

Die Notwendigkeit diese Erkenntnis anzustreben wird dennoch weder empfunden noch anerkannt. Die Ursache dieser sonderbaren Tatsache ist eine einfache und naheliegende. Und nicht das erstemal im Laufe der Geschichte der Menschheit hat sich diese aus seinem ähnlichen Beweggrund über die Ursachen unseres Leidens und über die Notwendigkeit weitere Bemühungen und die Erkenntnis, hinwegtäuschen lassen: Diese Ursache ist die, dass man allgemein glaubt die Quelle unserer Leiden zu kennen und dass an diesem Glauben von keiner Seite gezweifelt wird.

Dass der Weltkrieg durch die unausgeglichenen Interessengegensätze konkurrierender Staaten hervorgerufen wurde und dass die soziale Not Europa's aus den unausgeglichenen Interessengegensätzen sich gegenübersehender Klassen hervorgeht, -gilt als selbstverständlich. Engländer und Deutsche, Kapitalisten und Kommunisten treffen sich auf dem gemeinsamen Boden gemeinsamer Weltanschauung. Klassen und Völker, Staaten und Einzelne, -sie leben alle im Glauben die tiefste Ursache der Leiden, die über allen gemeinsam verhängt zu sein scheinen, zu kennen.

[38/2] Das es ein wohlgegrundeter und felsenfester Glaube ist, der sie erfüllt, erweist sich an ihrem Leben und Handeln. Nicht im allein führen sie diesen Glauben, sondern ihre Taten zeigen ihn an. Sie besiegeln ihn mit ihrem Leben.

Die Ansichten gehen zwar darüber weit auseinander, auf welche Weise die Wirtschaft zur Ursache der Weltkrise geworden ist und noch weiter entfernen sie sich von einander, wenn die Mittel angegeben werden sollen, die das Grundübel beheben könnten. Dieser Umstand macht aber niemanden irre.

Im ganzen und grossen zweifeln die Deutschen nicht daran, dass das was ihnen


Deutscher Text zum Tippen

[39/3]

[40/4]

[41/5]

[42/6]

[43/7]

[44/8]

[48/9]

[49/10]

[50/11] Börsenkrachs gekannt haben. Im Gegenteil: die grössten Denker und Gelehrten aller Zeiten waren es, die die ersten Steine zu diesem Bau gelegt haben. Einige sind unbestritten Geisteshelden der gesammten Menschheitskultur. Wir nennen nur Leonardo da Vinci, Galileo Galilei, Vegalius, Descartes, Pascal, Bacon of Verulam, Robert Boyle. In der Geschichte der Einzelwissenschaften sind Borelli, Sanctorius, Sylvius, van Helmont, Paracelsus nich gering Namen. Unter diesen finden sich jene grossen Denker und Experimentatoren, die bis auf heute das unübertreffliche Vorbild der empirischen Naturwissenschaft bilden. Niemand wird verständigerweise sagen können, dass die Vertreter der ihm white space Sekte der white space gediegener Köpfe, modernere Geister, kritische Denker sind.

Und endlich handelt es sich auf diesem Gebiet um das Hereinbrechen eines der schwersten Schicksalsschläge, die je über die leibende Menschheit gekommen ist. Um eine grauenvollsten Plagen, die die ärmsten der Armen, die Kranken und Siechenden betroffen hat, die die Menschen dahinraffte wie Seuche und Krieg und deren Schatten das Leben aller Gesunden verdunkelte. Nicht wie ein Scheinübel das nur die moralischen white space, sondern wie ein “wirkliches” Übel das das Leben aller zu vernichten droht. Es ist dies die praktische Medizin bis zum Anfang des XIX Jahrhunderts.

Wir wollen an dem Beispiel der praktischen Medizin des XVII und XVIII Jahrhunderts, einen Zeitabschnitt der Jüngstvergangenheit, klaarlagen, dass die ersten grossen Entdeckungen der Physik, Chemie und Physiologie, die die Grundlagen zur modernen Naturwissenschaft gelegt haben, verhängnisvolle Folgen für die leitende Menschheit im Gefolge hatten. Dass da Erwachen des kritischen Geistes, in einer Intensität und white space wie sie uns heute unbekannt ist, der Leidenschaft [51] zur experimentellen und beobachtenden Forschung, in einer Heftigkeit, wie sie uns lange nicht mehr gegenwärtig ist, nicht verhindern konnten, dass die Fortschritte der Naturerkenntnis in der denkbar unkritischsten Weise vorzeitig auf die Heilkunde übertragen wurden. Und dass erste das rastlose Fortschreiten der Naturwissenschaften zu einem unvergleichlich grösseren Wissensstand, dieser voreiligen Übertragung Einhalt tun könnte und allmählich zu jener relativ unschädlichen medizinischen Wissenschaft führte, wie wir sie heute kennen. Es wird sich hierbei um ein Gebiet handeln, wie die gemeinsamen leiblichen Interessen aller Menschen, also die höchste denkbare Integration menschlichen Eigennutzes unmittelbar betroffen ist und und die Kontrolle ausübt. Und an diesem Beispiel soll es sich erweisen, dass dieser Eigennutz gerade es ist, der diese gefährlichen Verfahren erzwingt und dessen Druck so gross ist, dass keinerlei Einsicht der Nich-Betroffenen (der Gesunden) und kein Leiden der Betroffenen gross genug ist um dem verhängnisvollen Hang des leidenden Menschen Schranken zu setzen, damit er nicht jeder Erkenntnis, so unbestimmt und so unreif sie auch sei, sofort und unmittelbar der Linderung seiner Leiden zuführet, und ware das Ergebnis auch stets das niederschmetternste. Aus dieser Erkenntnis schrieb einer der grössten Geister des XVIII Jahrhunderts, François Quesnay, der Begründer der modernen Sozialphilosophie und Wirtschaftslehre, selbst Arzt und Naturforscher in seinen “Observations impartiales“ (1748) folgendes über diesen Wegenstand:

Die ärztliche Wissenschaft bis zum Anbruch der grundlegenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen

[51/12] Auch vor der Periode die mit Leonardo da Vinci, van Helmont, [52/13] Galilei, Vesalius und Harvey für die Physik, Chemie und Physiologie anhebt, war es wahrlich nicht gut um die leidende Menschheit bestellt. Die Kunst Hippocrates und seiner Schule war verloren gegangen. Die sorgfältige Beobachtung des Kranken, die Berücksichtigung des ganzen Menschen in der Behandlung, die getreue Vergleichung der Krankheitssymptome und Krankheitsbilder, die exakte Aufzeichnung der Krankheitsgeschichten, das stets Gegenwärtighalten der Heilkraft der Natur, als der Hauptstütze des Arztes, die genaue Abwägung dessen wann es zum Eingreifen Zeit sei und die ständige Rücksicht auf den Kräftezustand des Patienten, die schonendende Art der Heilmethoden und das Streben die Leiden zu linder, die sorgsame Pflege des Unheilbaren und die weitgehende Anwendung von white space und Naturheilmitteln, vor allem aber die Unvoreingenommenheit gegenüber allerhand Spekulationen und Theorien, Erklärungen und Deutungen physiologischer und pathologischer Prozesse: das war zusammen mit jener Hochzeit perikleischer Kultur, der sie entstammte, untergegangen. Diese Medizin wusste wenig von Anatomie, Chemie, Physik und Physiologie. Sie war aber white space, gewiss oft heilbringend und wohl selten schädlich. Nicht aus einem skeptischen Kriticismus gegenüber voreiligen Systemen heraus, sondern aus einem kaum verständlichen Hang für gegenständliches floss es, dass die herkömmlichen vier Elemente und vier Elementarqualitäten, sowie einiges andere Begriffliche das aus der älteren griechischen Philosophie, gewissermassen axiomatisch, sich in der Hippokratischen Medizin vorfindet, in dieser Schule nie dazugeführt haben diese Begriffe anders als blosse Ausdrucks und Beschreibungsmittel zu benutzen, ohne ihnen ein eigenes unmaterielles Sein, oder gar eine bestimmende Grundfunktion für das Heilverfahren selbst zuzuschreiben, wie es im zweiten Jahr. nach unserer Zeitrechnung Galenus tat. Die Galenische Medizin hatte


[55/14]

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[61/20]

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[64/23]

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[67/26]

Die richtige Weise sich gegenüber der Zukunft zu verhalten

[67/26]

[68/27]

[69/28]

[70/29]

[71/30]


Die ganze Grösse der Verantwortung…

Die Politik muss wieder zu einem Teil des Lebensweges werden

…verstanden wird, die ihrem Bau nach ebensowohl federal wie…

… Ist nun dieser Erscheinungsfall, der auch für die Naturwissenschaften als möglich…

Der allerwesentlichste Unterschied ist der, dass wir den Kranken auch ohne Art lassen können…

45-47

Man kann allerdings auch eine Summe von Lehrmeinungen Wissenschaft nennen, die wieder über ihren Gegenstand noch noch ihre Zwecke weder über ihre Methode noch über ihre Begriffe, weder über ihre Ausgangspunkte noch ein einziges ihrer Ergebnisse einer Ansicht sind, wenn diese Lehrmeinungen selbst und insbesondere der Widerstreit unter ihnen mit genügender Gelehrsamkeit geführt wird. Da wir letzteres nun keineswegs bestreiten wollen, so dünkt uns die Frage, ob es eine nationalökonomische Wissenschaft gibt oder nicht, als blosser Wortstreit, ganz und gar unwesentlich.

Die neue Skepsis

See also

Editor's Notes

  1. M: Manuscript pages in the archive; T: Transcriptions pages in the archive; KP: Pages Numbers written by Karl Polanyi
  2. „Maass“ in the archive.