…das Wesen der Kaufkraftwirtschaftlichen Betrachtungsweise…

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Das Fragment

[2] das Wesen der Kaufkraftwirtschaftlichen Betrachtungsweise in der allgemeinen Theorie fest zu verankern und sie sodann in ihrer Eigenart darzustellen. So soll, wenn der Versuch gelingt, der theoretische Begriffsapparat der Nationalökonomie einer Reihe von Problemen nicht nur der Theorie, sondern auch der Wirtschaftspolitik mehr angepasst werden, als er es gegenwärtig ist, Nebenbei dürften manche Kontreversen in unserer Theorie eine gewisse Klärung erfahren.

Hauptinhalt

Der „isolierte Wirt“ ist das allgemeine Mittel der theoretischen Nationalökonomie: es dient zur Bewältigung der gesellschaftswirtschaftlichen Probleme. Der hiezu notwendige Übergang auf die Gesellschaftswirtschaft scheint uns nur auf zwei Weisen möglich: indem mehrere isolierte Wirte nebeneinander gesetzt werden oder indem die Gesellschaft als Ganzes als ein isolierter Wirt aufgefasst wird.

Diese zwei Übergange, die an die im „isolierten Wirt“ gegebenen Elemente gebunden sind, indem mit ihnen bei der Bewältigung der Gesellschaftswirtschaft vorerst auszukommen ist, bedingen verschiedene Voraussetzungen betreffs des Gütervorrates:
im ersten Fall muss des Gütervorrat auf die Einzelnen aufgeteilt sein, im zweiten Fall ist der Gütervorrat nicht auf die Einzelnen aufgeteilt; er ist im Besitz des Wirtschaftssubjektes „Gesellschaft“.

Aber durch diese Voraussetzungen sind in den beiden Konstruktionen auch verschiedene Probleme gesetzt:

  1. Gelangt man zur Gesellschaftswirtschaft durch Nebeneinandersetzen (addition) mehrerer isolierter Wirte, so ist das Bindemittel zwischen ihnen der Tausch. Tausch, Tauschrelation, Preis, und Geld sind her als Probleme gesetzt. Diese Konstruktion einer Gesellschaftswirtschaft sei nach dem für sie charakteristischen Bindemittel Tauschwirtschaft genannt.
  2. Gelangt man zur Gesellschaftswirtschaft, indem die Gesellschaftswirtschaft als ein isolierter Wirt aufgefasst wird, so ist ein Bindemittel zwischen den Gütervorrat und den Bedürfnissen anzunehmen. Das ist definitionsgemäß die Kaufkraft. Wie zu zeigen sein wird, ist diese 1) Ausdruckmittel der Bedürfnisse, 2) Rechenmittel und 3) Konkurrenzmittel. Sie ist als bestimmten Mengen auf die Einzelnen verteilt zu setzen.

Wir nennen diese Konstruktion-wieder nach dem charakteristischen Bindemittel – Kaufkraftwirtschaft.

Die hier gesetzten Probleme sind die des Wirtschaftlichen Schicksals des Gütervorrates und die Gestaltung des gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung m.a.W. die Verteilung der Güter auf die Bedürfnisse. Diese Fragen bilden den Umkreis der Verteilungsproblem (im weitesten Sinn).

Den Grund für die Berechtigung kaufkraftwirtschaftlicher Betrachtungsweisen sehen wir also in dem Umstand, dass Untersuchungen über das Schicksal des gesellschaftlichen Güterfonds, über die Bildung der gesellschaftlichen produktiven Gesamtkombination, über den Zustrom der Güter zu den verschiedenen Produktionsweisen der Gesellschaft und damit zusammen hängende Probleme in der Tauchwirtschaft mit theoretischer Strenge nicht geführt werden können, da in der Tauschwirtschaft die für diese Probleme nötigen Voraussetzungen fehlen. (Ein Unverteilter gesellschaftlich Güterfonds, die Zerreißung der Wirtschaftsgesellschaft in Güterfonds und Bedürfnisse.)

Ausführung und nähere Erläuterung

Über die Tauschwirtschaft ist nichts weiteres hier zu sagen. Sie ist bekannt.

Über die Kaufkraftwirtschaft sei hier folgendes ausgeführt:
Gesellschaftlicher Güterfonds und die Einzelnen, die Bedürfnisträger, sind voneinander getrennt. Sie werden einander entgegengestellt. Die Einzelnen haben bestimmte Bedürfnisskalen. Sie sind im Besitz einer bestimmten Menge Kaufkraft. Es geschieht nun nichts anderes, als dass der Güterfonds – der Einfachheit halber ist er als eine bestimmter Vorrat verschiedener Güter höchster Ordnung vorzustellen – im Wege der Preisbildung der Herstellung von Genussgütern gewidmet wird. Das Ergebnis ist ein Wirtschaftsplan, der auf die Herstellung eines gesellschaftlichen gesamtkombination, (produktive Gesamtkombination Mayer’s), abzielt.

Ob wir nun danach fragen

  1. Wie die verschiedenen Produktivgüter auf die verschiedenen Wirtschaftszweige verteilt werden,
  2. Oder wie die Gesamtkaukraft auf die Produktivgüter verteilt wird,

stets ist der Wirtschaftsplan der Gesellschaft, die Antwort auf die Frage.

Der Wirtschaftsplan antwortet also hier auf die Frage nach der Verteilung der Produktivgüter und der Kaufkraft. Die Verteilung der Produktivgüter auf die Wirtschaftszweige (die Distribution Clark’s) ist eine Seite desselben Prozesses, der von der anderen Seite her eine Verteilung der Kaufkraft auf die Produktionsmittel ist. Der Elementarprozesse der Verteilung ist hier wie dort derselbe; dort werden die Produktivgüter auf eine bestimmte Weise verteilt, hier die Kaufkraft. (Wirtschaftlich kausal geht natürlich das eine dem anderen voraus: erst teilen die Einzelnen ihre Kaufkraft auf eine bestimmte – von den Vorräten an Produktivmitteln mitbedingte – Weise auf, dann entstehen erst jene Produktivmittelpreise, die die Verteilung der Produktivgüter auf die Wirtschaft bewirken.) Die nähere Beschreibung der Kaufkraftwirtschaft wird zeigen, dass

  1. Der gesellschaftliche Wirtschaftsplan die Probleme der Gesamtwirtschaft in der Tat umschließt,
  2. Dieser Wirtschaftsplan sich in Verteilungsfragen auflösen lässt.

Nutzanwendungen

Durch Einführung der Kaufkraftwirtschaftlichen neben die tauschwirtschaftliche Betrachtungsweise treten bestimmte Kontroversen in eine klarere Beleuchtung U.a.

  1. Der Streit zwischen den Theoretischen, die den Wertablehnen (z.B. Cassel) und den Theoretikern der österreichischen Schule. Erstere ließen sich durch kaufkraftwirtschaftliche Vorstellung irreführen; letztere läugneten wieder ohne Grund die relative Berechtigung dieser Vorstellungen.
  2. Der Streit innerhalb der österreichischen Schule selbst (Böhm-Bawerk - Wieser): Böhm-Bawerks Wort, durch das Verlustprinzip gewonnen und nicht rechenbar, gehört dem Problemkreis der Tauschwirtschaft an; Wiesers rechenbarer und – bei den Produktivmitteln – nicht durch das Verlustprinzip gewonnener Wert (der produktive Beitrag) der Kaufkraftwirtschaft.
  3. Die aus dem Streit über die Natur des Wertes folgende Debatte über das Zurechnungsproblem: Böhm-Bawerks Lösung gilt für die Tauschwirtschaft; Wiesers Forderung nach Rechenbarkeit des Wertes und seine Behauptung des Aufteilungsgedankens kommt wieder in der Kaufkraftwirtschaft zur Geltung. (Mayer’s Lösung als eine Synthese von Verlustprinzip und Aufteilungsgedanke ist in dieser Hinsicht grundsätzlich abzulehnen.)
  4. Der Streit zwischen staatlicher und Warengeldtheorie. Das staatliche Geld ist analog der Kaufkraft, das Warengeld gehört zu den Kategorien der Tauschwirtschaft. Daraus ergeben sich die Grenzen der Anwendbarkeit jener ersteren Theorie.
  5. Der Streit zwischen Universalismus und Individualismus[.] Letzterer ist als wirtschaftliche Anschauungsarte der Kaufkraftwirtschaftlichen Anschauungsweise verwandt, erstere gehört in die Tauschwirtschaft, die als „atomistisch“ entstanden gedacht ist. Die Wirtschaftstheoretische Fruchtbarkeit des Universalismus müsste sich deshalb darin erweisen, was er für die Theorie der Kaufkraftwirtschaft leisten kann. Gerade in diesem Punkte hat er aber versagt. Auch die Theorie der Kaufkraftwirtschaft wird nicht vom Universalismus, sondern von der Nutzwertlehre geleistet.


Texte en allemand à traduire en français

Presentation

Don't forget to:

to translate this part -- Santiago Pinault (04 May 2017)

Ce fragment de 7 pages tapées à la machine à écrire, se trouve dans les archives 03/09. Dans celles-ci, il est seulement noté qu’il doit dater de la période viennoise [1919-1933]. Puisqu’il est fait mention de la théorie de la calculabilité de Hans Mayer et que celle-ci paraît bien connue par Karl Polanyi, et comme il existe le texte (“Hans Mayer’s Lösung des Zurechnungsproblems”) rédigé par Karl Polanyi et Felix Schafer sur ce sujet dont nous pouvons estimer la date à 1928, il est probable que ce texte date de cette année aussi. Felix Schafer dit aussi dans ses mémoires que Karl Polanyi lisait assidument Eugen Böhm-Bawerk en 1928 :

  • Karl sah diese Lösung kurz nach ihrem Erscheinen im Mai 1928. Er hatte früher die Lösungen Böhm-Bawerk und Wieser gründlich studiert. So sagte er: „Ja, da ist alles sehr schön, aber was der Mayer da macht, hat mit der Wahlhandlung des Wirtschaftens nichts zu tun. Nirgendwo handelt das Wirtschaftssubjekt so. An sich ist der Mayer sehr sympathisch, aber er ist ein schwacher Musikant.“ Und nach einer kleinen Pause setzte er fort: „Die Grundschwäche liegt darin, dass er nicht sieht, dass die beiden Lösungen nicht in eine Wirtschaft passen, sondern dass man dazu zwei Wirtschaften, die Tauschwirtschaft und die Kaufkraftwirtschaft braucht. Den Böhm-Bawerk stelle ich auf die Tauschwirtschaft ein und Wieser auf die Kaufkraftwirtschaft. Der Gegensätze zwischen den beiden Lösungen auf. Und das wird eine klassische Arbeit werden“.

Text Informations

Reference:
KPA: 03/09
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Lg Name
EN …the Essence of Purchasing Power Point of View
DE
FR « …l'essence de l'approche économique comme pouvoir d'achat… »