Von Felix Schafer bis Ilona Duczyńska (16. September 1974)

From Karl Polanyi
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Deutscher Text zum Nachlesen

Der erste Abschnitt des Teiles, an dem ich nun arbeite, ist “Philosophical Problems”. Der Abschnitt beginnt mit der Erwähnung von Michael Polanyi und Gomperz. Karl sprach öfter von methodologischen Diskussionen mit seinem Bruder. Worum es sich gehandelt hat, kann ich nicht sagen. Doch die Tatsache der Diskussionen sollte festgehalten werden. Gomperz kam einmal als ich gerade bei Euch war. Im Gespräch mit Karl kritisierte er Kelsen, weil er die Soziologie nicht als Sozialwissenschaft, sondern als Naturwissenschaft betrachte. Die Nene erwähnte ihn mir gegenüber als Freund der Familie und sprach einmal 1934 über das Unrecht, das Gomperz durch seine Zwangspensionerung geschehe.

Nach Gomperz komme ich zu Popper und Zeisel. Über Popper möchte ich folgendes sagen (ich führe hier nur die Hauptpunkte an): er einer kurzen Darstellung seiner Laufbahn bemerke ich unter anderem, dass er in Neuseeland soweit er konnte Refugees – ich Schließe mich hier ein – geholfen hat. (Er ist für mich auf Eueren Wunsch zu Nash, dem damals für Einreiserlaubnis zuständigen Minister gegangen). Karl starker Einfluss auf Popper in seinen formativen Jahren steht fest. Belege sind die beide Stellen in der “Open Society”, wo er Prinzipien erwähnt, auf die ihn Karl aufmerksam gemacht hat. Das war 1924 und 1925. In Poppers anderen Bücher kommt Karl nicht vor, obgleich sie von Problemen handeln, die er mit Karl wahrscheinlich erörtert hat, weil sie mit beiden erwähnten Stellen zusammenhängen.

Von der “Open Society” möchte ich sagen: Poppers Versuch aus seiner Philosophie die politische Forderung nach “piecemeal engineering” abzuleiten halte ich für missglückt. Seine Marxkritik hat wenig Bedeutung, weil er das wesentliche im Marxismus wenig Gewicht, weil er sagt, dass die Marxisten Aktion als wichtig betonen. Im allgemeinen möchte ich sagen, dass zum Unterschied von Poppers beiden anderen Büchern die “Open society” starken politischen Beigeschmack hat und gegenüber Poppers früheren Jahren eine Wendung vom Sozialismus zum Liberalismus darstelle. Popper scheint nicht verstanden zu haben, dass der Liberalismus infolge der Untragbarkeit der Marktwirtschaft zum Faschismus führt, also gerade zu dem, was Popper ablehnt, und dass die Liberalen bei Bedrohung der Marktwirtschaft d.h. der Profit, den Faschismus als Rettung in Kauf nehmen. – Ohne mich auf Dich oder auf irgendjemand zu berufen bemerke ich, dass Karl wahrscheinlich mit dem, was ich über Popper sage, einverstanden gewesen wäre.

Was ich nicht sagen möchte, weil es nicht beweisbar ist und daher die Argumentation schwächt – “man hat nichts davon” sagte Karl einmal zu mir – sind, was Du “subjektive Gesichtspunkte” nennst. Auch ich lehne die “Open Society” aus Gründen ab, die wie Du sagst “tiefe weltanschaulich Basis” haben. Die “Basis” besteht darin, dass er sich Hayek zu sehr angenähert hat. So hat er ihn z.B. eines seiner Bücher gewidmet, was man bedauern muss, wenn man an Poppers frühere Haltung denkt.

Nach Popper scheibe ich über Zeisel. Auch bei ihm beginne ich mit eines kurzen Darstellung seiner Laufbahn. Zumindestens 1924 und 1925 schien er an philosophischen Fragen interessiert. Er hat mir damals auch Beschäftigung mit solchen Fragen empfohlen. Karl hat ihn gewiss in seinem Interesse an konkreten Problemen wie Umfragen bestärkt. Ich erwähne den er über Karl in der Encyclopaedia schrieb und der sich hauptsachlich auf die anthropologischen Werke Karls konzentrierte. Damit schließt der Abschnitt.

Ich würde gerne hören, was Du über das denkst, was ich über Popper zu schreiben beabsichtige. Wenn Du das was sagen will zu viel oder zu wenig ist etc. lass mich wissen. Man kann auch alles weglassen.

Referenzen

KPA: 58/11, 100-101
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