From Felix Schafer to Ilona Duczyńska (24 June 1967)
[1/30] Dareben habe ich natürlich große Freude darüber, daß so viel zur Publikation von Karl’s Schriften [2/31] geschieht. (…) Herzlichen Danke für Pearson’s Adresse. Ich glaube nicht dass ich ihm schreiben werde, ausser er will etwas von mir. Aber ich glaube, dass er alles sehr gut ohne irgendeine Hilfe machen wird. Überhaupt möchte ich nur wieder sagen, dass ich jedem, der Karl’s Werke redigiert, es überlasse, was er mit dem, was ich von Karl geschrieben haben, tun will. Das gilt natürlich vor allem für Dich, wo Du doch als seine Mitarbeiterin und Erbin seines Gedankgutes überall am bestem Bescheid weißt, Wenn ich irgendwie mitelhelfen konnte, würde ich das gerne tun. Doch kommt mir vor, dass ich wenig oder besser gesagt gar nichts nützen Monnte. Was ich über Karl geschrieben habe, ist gewiss von begrenztem Wert. Was ich jetzt schreibe, ist womöglich noch weniger wert, weil es nicht mehr vorwiegend von der “Wiener Zeit” handelt. Trotzdem möchte ich fortsetzen. Denn er geschieht, wie ich immer wieder betonen möchte, zum Andenken an Karl, für Dich und Kari und schließlich für mich selbst. Letzteres hat für mich gewiss grossen Wert, weil es mein Bild von Karl’s Gedankenwelt, die ich, soweit ich sie erfassen kann, von ihm bekommen habe, klärt.
In grossen Zügen mochte ich eiderholen, was mir vorschwebt. Ich halte dafür, dass sein Schaffen eine moralische und eine logische Einhalt hat. Die moralische Einheit ist der Mensch als höchster Wert. (Man kann auch sagen menschliche Freiheit oder Würde oder irgend einen anderen Ausdruck mit ähnlichem Sinn). Das war entscheidend für die Auswahl seiner Probleme, wie z.B. Kontrolle der Objektivationen durch den Menschen, wo man sie nicht abschaffen kann, das Übersichtproblem (man soll die Wirkungen seines Handelns übersehen und daher planen können. Wirtschaftsrechnung als “Ziffernmäßigkeit jedes Einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft für ihr Schicksal (Dieses Postulat deutlich in der “Essence” zum Ausdruck) usw. Die logische Einheit ist der vergesellschafte Mensch. “For Mr. Polanyi the last word is society”, hat McIver treffend im Vorwort zur “Transformation” gesagt. Es handelt sich hier nicht mur um das “transzendental Bewusstsein” das, wie Max Adler auf Kant gestutzt es formulierte, uns ermöglicht einander zu verstehen und eine Gesellschaft zu bilden. (Karl sagte einmal “Mit Max Adler bin ich sehr zufrieden”) Bei Karl war es mehr. Ihm ging es vor allem darum, dass die Gesellschaft in menschlichen Beziehungen besteht, in die alle möglichen Elemente, kulturelle, verwandtschaftlichem Verteidigung Wirtschaft, geographische, etc. hineinspielen. Insbesondere in seinen späteren Schriften hat er gezeigt, dass die Wirtschaft mit Ausnahme des Kapitalismus des 19. Jahrhunderts n das soziale Leben “eingebettet” rationale wird nur in Ausnahmefällen ihr einziger Inhalt.
Das bringt auch sein “Tauschwirtschaft-Kaufkraftwirtschaft Theorem” in das richtige Licht. Erschert ist die Lage dadurch, dass er es fand als er sich mit der subjektiven Therme beschäftigte, wie sie sich vor allem in der österreichischen Schule des späten 19. Und frühen 20- Jahrhunderts zeigte. Da kommt man bald darauf, dass zwischen einem [3/32] Wirtschaftsablauf in einer Tauschwirtschaft und in einer Kaufkraftwirtschaft praktisch kein Unterschied zu bestehen braucht. Das hat Karl, wie ich nur wiederholen kann, gestört. Doch schon in der “Transformation”, wo es sich um institutionale Probleme handelt, ist es anders. Die menschlichen Beziehungen in einer “Tauschwirtschaft” unter eine self-regulating market” wo die Einzelnen bestimmen, was zum Geld wird, sind anders als in einer Kaufkraftwirtschaft mit “managed currency”, wo eine Behörde festlegt, wieviel und welches Geld die bestimmten Einzelnen zur Verfügung haben. Insbesondere kommt das, wie Karl ausführte bei seinen geldtheoretischen Forschungen hinsichtlich “primitive” oder gesagt “archaischer” Gesellschaften herein, wo bestimmtes Geld nur für bestimmte Zwecke verwendet werden durfte. Das entspricht “Mehr oder weniger” einem Kaufkraftgeld, wie ich Dir schon einmal versucht habe zu beschreiben. Ich will Dich damit nicht aufhalten. “Der Weg ist och nebelhaft” wie Schiff einmal sagte, wenn es überhaupt ein Weg ist. Und doch scheint etwas dran zu sein, Ich habe begonnen R. Firth “Economics of the New Zealand Maori” zu lesen. Da fand ich folgenden Satz. “The results and the possible contribution of the anthropological are attracting increasing attention as it is coming to be realized that intensive observational study by research workers trained in a comparative discipline may throw considerable light upon economic behaviour in our own society” (p. 481 – 1959 Edition Wellington). Nicht nur mögen zwischen moderner Kaufkraft und archaischen Geld weitgehende Ähnlichkeiten sein. Es mag auch interessant sein die Institution die das Geld als Kaufkraft setzt, Staat, Herrscher) Priester, Brauch, etc. sich näher anzusehen. Doch genug davon. Ich will Dich damit nicht länger aufhalten.
Du findest beigeschlossen die Seiten 84-86 des Manuskriptes, die Du wolltest. Es sollte eine Probe sein, wie eine Art Leitfaden durch Nachziehen der Gedanken im ersten Kapital der “Transformation” aussehen könnte, Seite 87 hast Du ja schon wieder. Daher sende ich sie vorläufig nicht. Ich schicke auch die neuen Seiten 134-138, Sie handeln von Kapitel 14 und 15. (Letzteres nicht dahinter: Doch, wie gesagt, ich mochte langsam fortsetzen, wenn Du mir nicht sagst, dass ich etwas anderes machen soll. Ich hoffe, dass Du inzwischen die Seiten 88-133 erhalten hast. Ich schickte sie an Dr. Ebner. – Mahr kann ich heute nicht mehr tun, Ich hoffe den Brief morgen aufzugehen so dass Du ihn noch rechtzeitig erhältst, bevor Du wegfahrst. Du kammst mir natürlich noch keine Wiener Adresse gehen. So sende rechwieder au Dr. Ebner. Überabeite Dich nur nicht. Die Zeit vergeht so schnell und so wenig bringt man weiter. …
Letter Informations
KPA: 58/11, 29-33