Felix Schafer, Über Staats- und Rechtsbegriffe und ihre Verselbständigung (Dissertation)

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I. Einleitung

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An dieser Stelle handelt es sich darum, eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, was wir überhaupt unter Objektivationen verstehen.

Wir meinen darunter, gesellschaftliche Erscheinungen, die reale Dinghaftigkeit besitzen, jedoch als selbständige Mächte auftreten. Beispiele dafür sind: Recht, Staat, Sitte, Preis, Wirtschaft, Freundschaft u.s.w. Immer machen sich solche gesellschaftliche Erscheinungen dadurch bemerkbar, dass sie dem Menschen in Gestalt irgendwelcher Formen gegenüber treten. Unsere Aufgabe wird es sein, sich in verschiedener Hinsicht solchen Objektivationen zu beschäftigen.

II. Die Entstehung der Objektivation

Es sollgezeigt werden, durch welche Vorgänge eine Entstehung von Objektivation vor sich geht.

A. Das Problem

1. Der Mensch als Ausgangpunkt

Wenn wir das Problem stellen, die Objektivationen in ihrer Entstehung zu erklären, liegt schon in der Fragestellung, implicite die Voraussetzung, dass sie überhaupt entstanden sein können, so dass sie nicht “von Ewigkeit her”sind, sondern hier ein Prozess des Werdens vorliegt. Diese Voraussetzung eines solchen Prozesses, müssen wir als unbewiesen hinnehmen, falle überhaupt unsere Problemstellung möglich sein soll. Ob diese Voraussetzung stichhaltig ist, wird das Resultat unseres Erklärungsversuches zeigen. Wir müssen jedoch bedenken, dass dieser in seiner Geltung einer Einschränkung unterliegt, indem er nur auf Objektivationen anwendbar ist, die nicht “von Ewigkeit her” sind. Über die Tragweite dieser Einschränkung für unseren Erklärungsversuch, können wir nichts sagen, bevor es nicht bewiesen wäre, dass gewisse Objektivationen von vornherein vorhanden sind. Einen solchen Beweis zu führen, halten wir nicht für Aufgabe, lassen jedoch seine Möglichkeit offen. Setzen wir dennoch irgendwelchen Entstehungsprozess für die Objektivationen voraus, so ist damit die Notwendigkeit gegeben, einen Punkt zu suchen, dem wir als Anfang für unseren Prozess ansehen können. Es liegt nahe daher die genetische Priorität des Menschen vor den Objektivationen – und nur um eine solche handelt sich es hier – ohne jeden Beweis voraus. Dadurch ist die Tragweite unseres Erklärungsversuches noch weiter eingeschränkt, denn es kommen für uns nur durch Menschen erzeugte Objektivationen in Betracht. Ob auch diese Voraussetzung am Platz ist, wird gleichfalls das Resultat unseres Versuches sein. Aus der jetzt gemachten Voraussetzung ergibt sich allerdings eine für unser ferneres Vergehen grundlegende Definition des Begriffes Mensch. Da nämlich die Objektivation eine gesellschaftliche Erscheinung ist, kann sie nur von vergesellschafteten Menschen erzeugt werden, in dem Menschen schlechthin nicht imstande wären, eine gesellschaftliche Erscheinung hervorzubringen. Für unser Problem scheidet der Mensch als physikalische Natur, als chemisch-physiologische Erscheinung und psychologische Einheit aus. Der Begriff Mensch ist für uns, durch Negation aller Eigenschaften außer der Vergesellschaftung gegeben, sodass sich unsere Betrachtung innerhalb des Sozialen bewegen muss. Setzen wir vor jeder Erklärung den Menschen schon als vergesellschafteten voraus, so müssen wir annehmen, dass jeder Mensch die Gesellschaft schon vor ihrem empirischen Tatbestand in sich trägt. Wir müssen als die Tatsachen eine sozialen a priori voraussetzen, was gleichfalls seine Rechtfertigung erst aus dem Resultat unseres Versuches schöpfen kann. Welche apriorischen Gesetzmäßigkeiten zu beweisen sein werden, wird sich ebenfalls erst später ergeben. Das soziale Apriori müssen wir jedenfalls ohne Beweis Voraussetzungen. Als weitere Felgerscheinung unseres Standpunktes kommen wir zu einem charakteristischen Werkzal der Objektivation. Da sie unserer Voraussetzung nach, von den vergesellschafteten Menschen gesetzt ist und diesen selben Menschen als Norm entgegen treten, was wir an Erscheinungen wir Recht, Staat, Sitte, u.s.w. als Erfahrungstatsachen hinnehmen können, werden die Menschen durch selbsterzeugte Objektivationen beherrscht. Wie dem auch immer sei, unser Erklärungsung ist durch die von uns, gemachten Voraussetzungen eindeutig bestimmt. Wir setzen einen Entstehungsprozess der Objektivation voraus, lassen diesen beim vergesellschafteten Menschen beginnen, den wir der weiteren Annehme des sozialen Apriori herauskonstruieren und sehen wie die Objektivation als Funktion des vergesellschafteten Menschen entsteht, wobei wir mit dem Gebiet der Psychologie in keine Berührung kommen, sondern uns in dem Gebiete der Erkenntniskritik bewegen.

2. Der Sprung vom Individuum zur Objektivation

Für unsere ganze Ausführungen ist es vom entscheidender Wichtigkeit, dass wir das Gebiet der Erkenntniskritik niemals verlassen und insbesondere nicht in das der Psychologie geraten, denn allerdings: es ist eine unbezweifelbare Tatsache, dass von der psychologischen Subjektivität des Individuums zur Objektivation ein Sprung vom Psychologischen zur Worm, also ein Sprung zwischen zwei verschiedenen Ebenen vorliegt. Kelsen und Spann haben diese Tatsache zum Anlass genommen, um dazulegen, dass die Objektivation überhaupt nicht von dem Menschen aus zu erklären ist. Spann sagt folgendes: “… bleibt man bei der psychischen Natur dieser “Beziehungen” so bleibt man auch im Bereich der Psychologie und kommt niemals zur Gesellschaft, lässt man aber die Psychologie hinter sich, so hat man auch die Wechselbeziehungen hinter sich gelassen. (Gesellschaftslehre, 1923, S. 28). Demgegenüber möchte wir zur darauf aufmerksam machen, dass wir zwar gleichfalls nicht glauben, dass man von dem rein psychologischen, individuellen Tatbestand zur objektiven Gesellschaft kommt. Um aber zu beweisen, dass man zur Erklärung des Sozial-objektiven überhaupt nicht vom Menschen ausgehen darf, hätte gezeigt werden müssen, dass es auch mit der Erkenntniskritik unmöglich ist, das Sotiale- was hier gleichbedeutend ist – zu erfassen. Aber gerade das hat Spann unterlassen. Aus der Tatsache, dass man mit Hilfe der Psychologie nichts sozial-objektives, dass hier durch dem Menschen überhaupt nichts zu erklären möglich ist. Kelsen sagt über den Sprung folgendes: “Da soclisches nur ein Individuum… möglich ist, muss alles überindividuelles, jenseits der Einzelseele gelegene, metaphychologischen Charakter haben… In die Welt des Sollens in die Welt der Normen führt jener Sprung aus dem Psychologischen, jene die für alle Soziologie als typisch erkannt wurde.” (Seite 43, 44, a.an.O) Kelsen besteht hiet nur mit Recht, das die Objektivation, “das Überindividuelle” etwas unpsychologisches ist und daher mit den Mitteln der Psychologie nicht zu Erklärung ist. Ober draus die gleiche Folgerung wie Spann nicht, ist nicht sicher zu sehen. Ist dies der Fall, gilt gegen Kelsen der gleiche Einwand wie gegen Spann. Wurde aber Kelsen, was auch möglich ist, diese Schlussfolgerung nicht ziehen, dann ist bei ihm die Möglichkeit einer Erklärung durch die Erkenntniskritik offen gelassen – tatsachlich spricht Kelsen zur vom der Unmöglichkeit einer psychologischen Erklärung -, so dass unsere Auffassung bei ihm bestätigt wäre. Wie dem auch immer sein mag, enthält für unseren Standpunkt der Sprung entweder ein falsch gestelltes Problem, also ein Scheinproblem, oder überhaupt kein Problem. Man kann nämlich die Gesellschaft empirische vom individuellen psychologischen Menschen aus erklären wollen. Die Unmöglichkeit vom Individuellen zum Sozialen zu gelangen liegt hier offen zu Tage. Das Problem ist jedoch deshalb falsche gestellt, weil es einen solchen individuell psychologischen Menschen nicht gibt, sondern nur einen vergesellschafteten Menschen, wie wir bisher vorausgesetzt haben. Unter der Annahme dieser noch zu beweisenden Voraussetzung enthüllt sich der Sprung als zwar empirisch, aber nicht mehr kategoriell vorhanden, sodass seine Problematik zur Scheinsproblematik wird. Damit ist sehen gesetzt, dass bei der Voraussetzung des vergesellschafteten Menschen, der Sprung nur mehr empirisch ein Problem bildet, in dem das Individuum schon apriorisch vergesellschaftet ist, sodass der Entstehungsprozess der Objektivation von Anfang bis zu Ende in der gesellschaftlichen, sozialen Sphäre verläuft. Es bleibt für uns damit nur der empirische Sprung von vergesellschafteten Einzelnen zur Objektivation übrig, welcher dadurch zu überbrücken ist, dass nach Aufzeigung der Vergesellschaftung im menschlichen Bewusstsein so weit für unseren Zweck dies nötig ist, der Wandel der im Einzelmenschen, real vorkommenden Vergesellschaftungserscheinungen zur Objektivationen gezeigt wird.

3. Methodische Einwände

a) Kelsen
b) Spann

B. Lösungsversuch

Da wir die Objektivation als Funktion des vergesellschafteten Menschen erklären wollen, muss zunächst die Vergesellschaftung beim Menschen festgestellt werden. Dann wird zu zeigen sein, wie der vergesellschaftete Mensch die Objektivationen schafft, also welche notwendigen Gesetzlichkeiten hier vorliegen. Diese Gesetzlichkeiten müssen soziale sein, weswegen wir alle individual-psychologischen Wege von vornherein zu vermeiden haben. Unsere Ableitungen können sich daher nur im Gebiete der Erkenntniskritik oder der sozialen Empirie bewegen. Da zuerst die Vergesellschaftung zu zeigen ist, und erst nacher als empirische Tatsache in den empirisch vorkommenden Objektivationen, wie Staat, Preis, Sitte, u.s.w. darzustellen ist, gelangen wir notwendig vom Gebiet der Erkenntniskritik in das der sozialen Empirie.

1. Vergesellschaftung und Sinnhaftigkeit

Zur Erklärung der Vergesellschaftung bedienen wir uns des von Max Adler eingenommenen Standpunktes. Er bezeichnet einen vergesellschafteten Menschen als solchen, “der bereits aus seinem Ich heraus, aus seinem psychischen Sein sich selbst nicht anders gegeben ist, wie als ein einzelner under wesensgleichen haben, als ein durch die gleiche Art des geistigen Lebens mit seinen Artgenossen zu einer Einheit verbundenes Wesen… Der Menschen ist sozial… weil er schon unmittelbar in seinem Selbstbewusstsein sozial ist, d.h. auf die Wesensgleichheit des Psychischen mit seinen Artgenossen bezogen ist.” (Marxistische Problems, S. 6) Damit soll gesagt werden, dass Gesellschaft nur möglich ist, weil unsere Bewusstseinsgesetztlichkeiten gattungsmäßig gleich ist, so dass alle Formalgesetzlichkeiten des Bewusstseins nichts individuelles, sondern etwas soziales sind, “Das Bewusstsein ist daher nicht etwas, was in und ___ einem mystischen Ich gewusst wird, sondern etwas, was zufolge seiner Einheitsbezehung und Bewusstheit in ihr nur für seine eigene Anschauung in einem Ich erscheint, - kurz dieses Ich ist eben die Form des Bewusstsein”. In dieser überindividuellen, formalen Gleichheit der individuellen Bewusstseinsgesetzlichkeiten, welche unableitbar ist, ist Gesellschaft vor jeder empirischen Gestaltung des Sozialen apriorisch gegeben. Die Gesellschaft stellt sich als soziales Apriori dar, von Adler das Transzendental-Soziale genannt. Ebenso wie die Gattungsmäßige Gleichheit der formalen Bewusstseinsgesetzlichkeiten sind auch diese selbst unableitbar, also apriorisch. Unter diesen Gesetzlichkeiten haben wir die Sinnhaftigkeit des Bewusstseins hervor. Auch hier handelt es sich m eine apriorische unableitbare Gesetzlichkeit. Sinnhaftigkeit erscheint als notwendige Gesetzlichkeit des Bewusstseins, indem Bewusstseins ohne Sinnhaftigkeit uns unvorstellbar erscheint. Jedoch lassen wir die Möglichkeit eines nicht sinnhaften Bewusstseins offen, indem durch Annahme der Sinnhaftigkeit der Beweis für ein eventuell nicht sinnhaftes Bewusstsein nicht unmöglich gemacht wird. Wir lassen auch die Frage offen, wie weit durch den eventuellen Nachweis eines nicht sinnhaften Bewusstseins unser Erklärungsversuch in seiner Tragweite eingeschränkt wird.

2. Die Sinnhaftigkeit

Das menschliche Bewusstsein ist notwendig sinnhaft. Daher muss die historische Verumständung notwendig sinnhaft begriffen werden. Das sinnhafte Begreifen der historischen Verumständung kann nur so vor sich geben, dass dieser durch das menschliche Bewusstsein irgend ein Sinn gegeben wird. Diesen Vorgang nennen wir Sinngebung. Jede Sinngebung muss die historische Verumständung notwendig zum Substrat haben. Dann eine Sinngebung nane eine Ibjekt, dem der Sinn gegeben wird, erscheint als unmöglich. Ferner muss zwischen der historischen Verumständung als Substrat und der menschlichen Sinngebung eine gewisse Beziehung bestehen. Nur eine bestimmte historische Verumständung kann jewiln zum Substrat für die Sinngebung werden. Die Sinnegebung muss daher der historischen Verumständung entsprechen, sie muss ihr adäquat sein. Diese Adäquanz der Sinngebung ist die Verbindung zwischen dem apriorischen Element der Sinngebung nur Substrat ohne irgendwelchen menschlich-gesellschaftlichen Charakter. Denn sie hat keinen Sinn und ist daher dem Bereich des menschlichen Bewusstseins, das notwendig infolge seiner Sinnhaftigkeit nur Sinnhaftes begreifen kann, entrückt. Erst die Sinngebung macht das Substrat zum gesellschaftlich-menschlichen. Sonst würde es sich nur um eine für uns nicht denkbare, weil sinniere Umwelt handeln. Die möglichen Sinngebungen sind jedoch durch die historische Verumständung nicht eindeutig bestimmt, obgleich sie dieser adäquat sein mussen. Denn diese ist infolge der Beschaffenheit ihrer Strukturelemente nicht homogen, sondern polymorph. Daher lässt die historische Verumständung als Substrat nicht nur eins, sondern viele adäquat Sinngebungen zu, so enthält zum Beispiel der Markt wirtschaftliche Strukturelemente, weil er wirtschaftliches Handeln beinhaltet, weiters rechtliche Strukturelemente, weil auch rechtliche Einrichtungen am Markte bestehen, wie Marktpolizei, gesetzlich geregelte Höchstpreise u.s.w. Ferner enthält er bestimmte Elamsenmäßige Strukturelemente, indem er wirtschaftliche Handlungen zwischen bestimmten gesellschaftlichen Elassen, z.B.

3. Der Aspekt

4. Die Empirie

5. Die Arten der Sinnbeziehung

Es soll hier versucht werden die schon im vergesellschafteten Einzelnen gesetzten Sinnbeziehungen nach dem Gesichtspunkt von Machtbeziehungen und Rechtsbeziehungen zu scheiden. Wir wollen durch diesen Versuch zeigen, auf welchem Wege bestimmte Objektivationen eine Wertung erfahren, wodurch sie sich von anderen unterscheiden. Zu diesem Zweck gehen wir wieder vom vergesellschafteten Einzelnen aus, bewegen uns also im Gebiet der Erkenntniskritik. Wir gehen von der

6. Andere Lösungen

a) Marx
b) Kelsen
c) Simmel
d) Wiese
e) Vierkandt
f) Spann
g) Tönnies

III. Einiges über das Vorkommen der Objektivation in sozialen Leben

A. Statik

1) Begriffsbestimmung

2. Problematik der Objektivationen

3. Der Eigenschaften / Eigensinn der Objektivationen

4. Die Formen der Objektivation / Beziehungen und Objektivationen

a) Die einfache Objektivation
b) Der Turm
c) Strahlenbündel

5. Die Objektivation als formale und historische Kategorie

B. Die Dynamik

1. Problematik

2. Die Möglichkeiten einer Dynamik der Objektivationen

3. Die Übertragung der Veränderung der (historischen) Verumständung auf die Objektivationen

4. Die Objektivation im Marxischen System

1. Problematik
2. Allgemeines
3. Der Marx’sche Begriff der Objektivation
4. Das Freiheitsproblem bei Marx
5. Die Einheit von Theorie und Praxis
6. Stirner – Marx
a) Die Objektivation bei Stirner
b) Vergleich mit dem Marx’schen Begriff