Bemerkungen (Christianity and Economic Life)

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A. Hat das Christentum Beziehung zu „sozialen Fragen”?

Die Antwort wird Ja oder Nein sein, je nach der grundlegenden Natur der zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gegeben Gesellschaft.
In einer wesentlich nicht christlichen Gesellschaft hat das Christentum keine Beziehung zu einzelnen zu oder spezifischen sozialen Fragen.
In einer wesentlich christlichen Gesellschaft hat die Beziehung des Christentums zu sozialen Fragen eine Tatsache und eine Notwendigkeit.
Das Christentum als solchen hat keine Beziehung auf soziale Fragen. Diese sind, wie schon ihr Name sagt, Einzelfragen, spezifische Fragen, während das Christentum auf das menschliche Dasein als Ganzes bezogen ist, das heisst die Beziehung von Mensch zu Gott ist.

In menschlichen Dingen bezieht sich das Christentum auf den Einzelnen in der Gemeinschaft. Keine spezifischen menschlichen Bande, auch nicht Nation, Kirche oder Familie können dem Ruf nach Gemeinschaft ebenbürtig zur Seite stehen.

Selbst die Gesellschaft, insofern sie bloss ein Komplex von materiellen, psychologischen und technologischen Faktoren ist, ist für das Christentum belangles. Nur die Gesellschaft als Ganzes, das heisst, als eine persönliche Beziehung von Individuen ist die Erfüllung unserer Beziehung zu Gott.

Soziale Fragen beziehen sich wieder auf das Individuum, noch auf die Gesellschaft als Ganzes. Sie sind für den Christen nicht relevant. Er muss konsequent ablehnen, ihre Bedeutung anzuerkennen.

Zusammenfassend:

  1. Das Christentum betrifft die Beziehung des Menschen zu Gott.
  2. Diese Beziehung kann nicht anders existieren als innerhalb der Beziehung der Menschheit zu Gott.
  3. Die Beziehung der Menschheit zu Gott erfüllt sich in der Gesellschaft als Ganzes als eine persönliche Beziehung zwischen Individuen.
  4. Kein partieller oder spezifischer sozialer Aspekt des gesellschaftlichen Seins kann für den Christen, abgetrennt von der Gesellschaft als Ganzem, Wirklichkeit haben.

Gesellschaft als Ganzem, Wirklichkeit haben.
Dieses war die Haltung Jesu angesichts der Gesellschaft seiner Zeit. Er rief den Einzelnen, das Individuum, auf, die Gesellschaft zu verlassen - sein Volk, seine Kirche, seine Familie zu verlassen und eine neue Gesellschaft zu gründen. Jesus folgen hiess, ihm auf einem Weg folgen, der aus der Gesellschaft hinaus führte.

Wenn aber der Zustand der Gesellschaft ein Ausdruck der richtigen Beziehung der Menschheit zu Gott ist, dann werden „soziale Fragen” zu einem integrierenden Bestandteil des Lebens des Einzelnen in der Gemeinschaft. Dann kommt dem Christentum eine positive Beziehung zu ihnen eine positive Beziehung zu der „Lösung” dieser Fragen.

B. Gibt es eine christliche Soziologie?


Deutscher Text zum Tippen

Um zu finden was unsere Beziehung zu Gott ist müssen wir versuchen, die tatsächliche Beziehung der Menschheit zu Gott zu verstehen. Jede Art Wissen über die Gesellschaft bezieht für den Christen ihre Bedeutung daraus, ob und welches Licht es über diesen über alles wichtigen Punkt zu verbreiten vermag. Das versteht man darunter, die Zeichen der Zeit zu deuten.

Die Zeit in diesem Sinne bedeutet die tatsächliche Beziehung der Menschheit zu Gott, den konkreten Inhalt der Gemeinschaft in einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort. Das heisst jene tatsächlichen Beziehungen zwischen den Menschen, nach welchen Gott den Menschen beurteilt.
Das verborgene Wesen der Zeit wird uns nie ganz offenbar. Aber wir dürfen keine Mühe scheuen ihre Zeichen zu lessen, mit der Hilfe von soviel Licht als uns zugänglich ist.

Dieser Aspekt des Wissens über menschliche Dinge ist es allein, der uns hier beschäftigt. Christliche Soziologie bedeutet entweder ein Wissen über die Gesellschaft als Beziehung zwischen Menschen das es uns möglich macht den konkreten Stand der Gesellschaft ins Beziehung zu bringen zum Willen Gottes, oder sie ist völlig bedeutungslos.
Offenbar ist ein Voraussetzung einer solchen Einstellung zum Problem der christlichen Soziologie, dass die Bibel in der Tat eine Theorie der Gesellschaft enthält, und zwar im Sinne einer sozialen Ethik die festlegt, wie die Gesellschaft sein soll.

Enthielte die Bibel keine soziale Ethik, so wäre es sinnlos anzunehmen, man könnte in ihr einen Ausdruck des Willens Gottes in Bezug auf die Gesellschaft finden. Es wäre das eine unmögliche Aufgabe, denn ein solcher Wille wäre nicht vorhanden.

(Unter Gesellschaft verstehen wir stehen hier die objektiven Formen der Gemeinschaft, das heisst, etwas worauf Ethik Bezug hat. Auf die nicht menschlichen, also technologischen, psycho-psychiologischen oder materiellen Aspekte der Gesellschaft kann Ethik, selbstredend, nicht bezogen werden.)

Hier weichen wir also von dem (zu untersuchenden) Bericht ab.

References

Reference:
Original Publication: Bemerkungen (at the margin of “Christianity and economic life”)
KPA: 19/22, 17-27 (6 p. + 5 typen p.)