Sozialistische Rechnungslegung

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Einleitende Bemerkungen

[3][e 1] Die Frage der Rechnungslegung wird allgemein als das Schlüsselproblem der sozialistischen Wirtschaft anerkannt. Ein Versuch zu seiner Lösung soll hier zur Diskussion gestellt werden.

Um zwei Kennzeichen unserer Lösung gleich zu Anfang vorweg zu nehmen, glauben wir als ihren Vorzug ihre Einfachheit anführen zu können, als ihren größten Nachteil - und Wohl in den Augen vieler als ihren entscheidenden Mangel - den Umstand angeben zu müssen, daß sie sich von allen Systemen des Sozialismus nur auf funktionell, z. B. gildensozialistisch organisierte anwenden läßt. Woran das liegt und welche Tragweite dieser Einschränkung zukommt, bleibe vorerst dahingestellt. Für die Theorie der marktlosen Wirtschaft wird hier jedenfalls nichts geleist, gibt es doch in gewissem Sinne auch in der Wirtschaft des Gildensozialismus Kauf und Verkauf und zwar zu vereinbarten Preisen und somit, wenn man will, auch einen »Markt«. Wir geben auch unumwunden zu, daß wir die Lösung des Problems der Rechnungslegung in einer zentralen Verwaltungswirtschaft, für unmöglich erachten. So wenig wie den Dogmatiken der reinen Verkehrswirtschaft, wird also von uns hier den Dogmatikern der verkehrslosen Wirtschaft, wie es z. B. die Theoretiker der Kautsky-Neurath-Trotzkischen Richtung sind, etwas prinzipiell Neues geboten. Mit desto mehr Zuversicht glauben wir uns aber an die Praktiker des Sozialismus um Verständnis wenden zu dürfen, sowie an jene modernen sozialistischen Theoretiker, für die sich der Gegensatz Sozialismus gegen Kapitalismus nicht mehr auf die Schablone verkehrslose gegen Verkehrswirtschaft reduziert [4] (z. B. Bauer, Cole, Lenin, Pjatakoff). Stellt doch der heutige Kapitalismus ebensowenig eine freie Verkehrswirtschaft dar als anderseits eine Wirtschaft größeren Umfanges ohne irgendeinen Verkehr bestehen kann. Sozialistische und kapitalistische Wirtschaft unterscheiden sich eben anders.

Schon aus diesen…

Wäre nun das System des funktionellen Sozialismus vorläufig nicht eine überwiegend politish-organisatorische Idee, sondern wäre es bereits zu einer ökonomischen Auffassung gediehen, so hätten wir uns, wenigstens insoferne wir uns an dieses System anlehnen, auf eine wirtschaftstheoretische Grundlage stützen können. Wie nun die Dinge liegen, verfügt diese neue politische und organisatorische Theorie des Sozialismus aber nicht einmal über die Ansätze zu einer Wirtschaftslehre. … Marx hat zwar eine Theorie der kapitalistischen Wirtschaft geschaffen, es jedoch stets bewußt vermieden, die [5] Theorie der sozialistischen zu berühren. Die einzige Theorie einer marktlosen Wirtschaft, über die wir auf diese Art verfügen, stammt von der Grenznutzenschule her und zwar als die Theorie der geschlossen Wirtschaft. …

Im engsten Zusammenhange damit steht endlich das vierte Kennzeichen unserer Arbeit: der streng formale Charakter ihrer Methode. …

[6] Quesnay

Kap. I Das Problem der sozialistischen Rechnungslegung

[9] Rechnungslegung ist ziffernmäßige Übersicht über Wirtschaft. Die kapitalistische Wirtschaft z.B. dreht sich um den Profit und ihre Rechnungslegung ist darauf gerichtet, eine Übersicht über der Wirtschaft zu bieten, aus der Beziehung eines jeden Kapitalelementes zum Profit zu entnehmen ist. […]

Die Art und Weise diese Übersicht zu bewerkstelligen ist jedoch für jede Wirtschaft eine verschiedene, denn das, was wir aus dieser Übersicht entnehmen wollen, ist in jedem Falle ein Verschiedenes.

[…]

Analyse und Kritik der begriffe Produktivität und soziales Recht

I. Produktivität

A. Analyse des Begriffes der Produktivität
B. Kritik der kapitalistischen Produktivität

II. Soziales Recht

A. Analyse des Begriffes soziales Recht
B. Kritik der kapitalistischen Verteilung

[20] … in jedem Falle bedingt diese Forderung bei dem gegebenen technisch-organisatorischen Stande der Produktion einen Mehraufwand an Kosten, welcher ohne weiteres der sozialen Richtung der Produktion, d. h. der “Gesellschaft”[1] zuzurechnen ist.

2. Wie aber verhält es sich mit dem anderen Hauptinhalt des sozialen Rechtes, mit der gerechten Verteilung? Bleibt es für die Produktion nicht gleichgültig, wie die produzierten Güter aufgeteilt worden sind? Diese Aufteilung erfolgt nach Abschluß des Produktionsprozesses, sie kann letzteren darum auch nicht beeinflussen und somit auch keine Kosten verursachen.

Die zwei Hauptschwierigkeiten der Durchführung

I. Die Zurechnung der natürlichen und der sozialen Kosten (Qualitative Schwierigkeit)

[23]

II. Das Kostenprinzip in der Rechnungslegung. Zurechnung von “Rahmenkosten” und “Eingriffskosten (Quantitative Schwierigkeit)

Kap. II Rechnungsbegriffe und Mechanismus der sozialistischen Rechnungslegung

1. Ein angenommener Typus einer funktionell organisierten sozialistischen Übergangswirtschaft

[28] Das soziale Recht in der Gemeinschaft wird durch die Vereinbarungen der Kommune mit dem Produktionsverband gesetzt

[29] […] bedürfnisse z.B., welche den lokalen Umkreis gewöhnlich nicht übersteigen, gehören in den Rahmen der lokalen Konsumgenoschaft, die als ein durch soziales Recht geschaffener Verband einer Heimatschaft gedacht wird; gemeinschaftliche lokale Bedürfnisse, wie Wasser, Gas, Elektrizität, Lokalverkehr usf. gehören zur Konsumentenvertretung durch die lokale Kommune, die, je nachdem es sich um kulturelle Bedürfnisse, wie Schule, Theater, Bibliothek, usf., oder um technisch-wirtschaftliche Fragen handelt, sich in gesonderte funktionelle Vertretungen abzweigt.

Bei allen Verbandsformen steht dem territorial höheren Verband die höhere Verfügungs-, Leitungs- und Entscheidungsinstanz zu, ob es sich nun um die Organisation der Arbeit durch den Produktionsverband oder um die Organisation des Konsums durch die Konsumentenorganisationen (Vertretungen und Genossenschaften) handelt. Die Planmäßigkeit der Funktionen soll hiedurch nötigenfalls im Landesmaßstab gesichert werden.

Die grundlegende Funktion des sozialen Rechtes im weistesten Sinne des Wortes, ist selbstredend diejenige, [30]

2. Rechnungslegung über die Produktionskosten

[35] Die funktionelle Scheidung der beiden Hauptverbände führt hier über die Motive, welche ihre organisatorische Ursache bilden, zur gesuchten Zurechnung der durch ihren Willen verursachten Kosten zu “Natur” und “Gesellschaft”.

[35]

Zusammenfassung

Fußnoten von Karl Polanyi

  1. “Gesellschaft” wird von hier an auch als Terminus im obigen Sinne gebraucht.

Fußnote des Texteditors

  1. Paginierung des KP Archivs.

Textinformationen

Referenz: 1922b
Originalveröffentlichung: “Sozialistische Rechnungslegung“, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 49/2, Mai 1922, s. 377-420
Aktuelle Veröffentlichung in deutscher Sprache: in POLANYI 2005, s. 71-113
KPA: 02/13 (Kopie der mit Stift versehenen Originalausgabe in englischer Sprache mit einer Seite, die Übersetzungen deutscher Wörter ins Englische enthält)
Andere Sprachen:

Spr Name
EN Socialist Accounting
FR « La comptabilité socialiste »