From Felix Schafer to Ilona Duczyńska (22 August 1967)

From Karl Polanyi
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Deutscher Text zum Tippen


Deutscher Text zum Nachlesen

[40] … Ich hatte ihm die vorhergehende Woche irgendeinen Fall der Kaufkraftwirtschaft aufgeschrieben und das erörterte er nun. Plötzlich sagte er: “In späteren Jahren werden Sie” – erst am Bahnhof in London und wir per fu geworden – “ein Buch schreiben”. Und das geschieht jetzt. Denn wenn unter deiner Anleitung das Buch übersetze, so schreibe ich ein Buch allerdings sein Buch, aber doch ein Buch. Selbstverständlich werde ich die Übersetzung Pearson’s lesen. Allerdings dürfte kaum viel darüber zu sagen sein. Denn wenn er auch, wie Du schreibst, nicht viel deutsch kaum, so weiß er doch, was Karl im Sinn hatte und für die Fachausdrücke hat er gewiss ein Fachwörterbuch. Die Orthandlungen Karl’s (Sozialistische Rechnungslegung und die Entgegnung auf Mises und Weil) habe ich, doch leider nicht die Artikel von Mises und Weil. Es freut mich sehr an der {Ausbringung} von Karl’s Werken mithelfen zu dürfen. Das war schon immer mein Wunsch, doch habe ich gemeint, daß andere Berufenere da sind. Ich kann also, wenn ich Dich richtig verstanden habe Pearson’s Manuskript [41] erwarten. Dahomey habe ich eben zu Ende gelesen – ein Werk von großer Tragweite.

(…) Von der Absicht eine Besprechung zu schreiben bin ich aber abgekommen, vor allem deswegen, weil Du die Möglichkeit der Übersetzung der “Transformation” sowähnt hast und auch wegen Pearson. Da möchte ich mich nicht zersplittern. Dazu kommt, dass die anthropologischen Fachzeitschriften ja ihre eigenen Besprocher haben. Auch können das andere besser tun als ich. Aber ein Hauptgrund ist, dass der beste Platz für eine Besprechung, oder besser gesagt für eine Interpretation das Vorwort der deutschen Übersetzung der Transformation zu sein scheint. Denn die Übersetzung kommt ca. 25 Jahre nach der englischen Erst Ausgabe heraus und da sollte gesagt werden, dass Karl seither nicht stehen geblieben ist, dass aber die Transformation bereits in nuce die Grundgedanken für die späteren Werke “Trade” und “Dahomey” enthält. So ist in Kap. 4 der “Transformation” ausgeführte Gedanke ausgesprochen, dass die Marktwirtschaft keine “ewige Kategorie” ist, sondern dass die Wirtschaft in der Regel in die Gesellschaft “eingebettet” ist, was nicht nur in Trade sondern insbesondere in “Dahomey” an einem historischen Beispiel gezeigt ist. Der vergesellschaftete Mensch, die logische Einheit von Karl’s Schaffen kommt hier herein. (Ich glaube ich habe das schon zu oft gesagt). Eine andere Stellung in der “Transformation” ist die Währung als Begründerin von nationaler Einheit. In “Dahomey” erscheint das als die “societal function” des archaischen Geldes als seine staatenbildende Funktion. Hier kommt das Tauschwirtschaft-Kaufkraftwirtschaft herein, das in der “Transformation” im Kap. 16 vorkommt. In “Dahomey” ist es weiterentwickelt, die isolierten Märkte wo nur mit einem bestimmten Geld (Kaurimuscheln) bestimmte Waren (Esswaren) gekauft werden konnten, sind die Kehrseite eines Kaufkraftgeldes. Es ist bezeichnend, dass diese Muscheln bei den “annual customs” vom König verteilt wurden (von Staat gesetztes Geld) “The monarchy was engaged in the launching of a currency as an instrument of taxation” usw. sagt Karl (p. 186 Dahomey). Das Theorem erscheint hier als Unterschied zwischen einer Marktwirtschaft (Tauschwirtschaft) und einer archaischen Wirtschaft (Kaufkraftwirtschaft). Schließlich ist die “Transformation” von dem Individuum, dem Menschen als höchsten Wert durchdrungen, die moralische Einheit von Karl’s Schaffen. Später d.h. in “Dahomey” kommt das dadurch zum Ausdruck, dass sein Interesse an der “Eingebettetheit” der Wirtschaft zum großen Teil in dem Wunsch begründet ist, dass die Wirtschaft in der zukünftigen Gesellschaft wieder “re-embedded” werden soll. Ich glaube, dass mir eine solche Besprechung – vor allem nicht das über das Theorem – niemand druckt. Manches über den sozialistischen Inhalt von “Dahomey” werden Behenenne Dalton, Pearson und andere gewiss viel besser herausbringen als ich es je könnte. Das “Theorem” werden sie wahrscheinlich wenig berühren. Das wird mein Privilegium sein im Vorwort unter Deiner Ägide darzustellen. Bis dahin hat es allerdings noch lange Zeit. Doch das ist nur gut. Vorläufig gehe ich also mit der Übersetzung weiter und warte auf die Rechnungslegung. Bleib gesund. Arbeite nicht zu viel.

Letter Informations

KPA: 58/11, 39-41