From Cecile Polanyi to György Lukács (4 April 1917)

From Karl Polanyi
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Eigentlich habe ich wichtigere Sachen mit Ihnen zu sprechen, Gyuri. Bitte beschäftigen Sie sich so viel es geht mit Massenpsychlogie – Ta... etc. Darüber sollte man alles lesen-Piklerische Ge-rechtigkeitstheorien, Marx Klassenkampf…… s Mengenorgiastik – lauter Wege die zu jenen Ihren führen wo Blaubarts begrabene Frauen bergen und die Einzige Bleibende Lebende aufer-stehen soll. Dass Reinhard ein Held, ein Schuft, ein Gott, ein Unternehmer, ein Künstler ist --- ist klar ---durch seine Beziehungen zur Menge, zum Mengengefühle sollte man verstehen – Al-les verstehen heißt – nichts verzeihen. Das thut Reinhard – er straft einen sicher. Unser Maso-chismus macht ihn groß. Massenmasochismus und verwandte Gebiethe – die dort begrabenen Hunde sollten Sie exhumieren, Gyuri!

Vormittag gestern bei Mikszath Feier gewesen. Eulen am Tag: blind und hülflos – diese großen Offiziellen. Nachmittags Footballmatch – da waren alle flohmässig sprungbereit und hatten aufgerissene Augen – Was sahen Die? Ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nicht viel. Eine große Schwermuth legt sich um mich, verdunkelt mir alles, entfernt jeden, die Contouren verwischen sich. Sind schreckhaft und unheimlich! Gut ist nur dem, der so wie Sie sagt: ich arbeite. Lavoro, ergo sum. Ich bin. Giebt es ein größeres Jauchzen, Jubeln, Posaunen? Ich, ich, ich, -- bin, bin, bin. Bin durch mich, für mich, bei mir. Ihr alle seid Gäste – Menschen, Abentheurer, Bücher, Erlebnisse – ich empfange, bewirthe Euch – in den Nebenausgaben seid Ihr ein plus und minus – verschwindend neben dem großen Conto: Arbeit. Davon lebt man. Sie leben. Ich kaum. Ich bin zu müde. Ein müde grüsst Sie – Ihre Cecile Polanyi

Letter Informations

KPA: 56/06, 52-55