An einen Genossen (1927)

From Karl Polanyi
Jump to navigation Jump to search


Deutscher Text zum Nachlesen

Don't forget to:

to put underlining -- Santiago Pinault (04 May 2017)

Werter Genosse,

von einer Krankheit wieder halbwegs erholt, möchte ich Ihnen in aller Kürze auseinandersetzen, zu welchen Ergebnissen ich nach einem im ganzen und großen dem Ihrigen recht ähnlichen Geistesweg, bezüglich ihrer Kritik am Marxismus gelangt bin:

Gegenüber den soziologischen und ökomischen Lehren von Marx gehen Sie wohl zu weit, der sogenannten „Marxistischen Weltanschauung“ gegenüber lange nicht weit genug. Und im Praktischen versagen Sie fast ganz.

Wenn sich von den Lehren von Marx spreche, meine ich hier sein formale Soziologie, seine Objektivationslehre, die Ansätze zu einer Soziaphilosophie ____________ jüng__n taren niedergelegt hat.

Engels hat sie nicht verstanden. Di_ ___________ausgear__ tet ____ gangen. Trotzdem liegt hier ein gesunder Kern begraben der nicht ___ telliert werden _____.

Die sogenannte Marxismus Weltanschauung anderseits ist – trotz Max Adler – ein trivialer Kauderwelsch naturwissenschafte[n] Metaphysik, der Keine ernste Behandlung verdient. Das ist der Punkt in dem Sie mir nicht weit genug. Auch Sie bleiben Relativist. Sie sel[] nen sich nach einem absoluten Standpunkt, besitzen ihn jedoch nicht. Der Psychologismus ist nichts als der letzte Schlupfwinkel Relativismus. Die moderne – dem Religiösen von vorn herein klare – Erkenntnistheorie hat die Unableitbarkeit von Werturleiten aus Erkenntnisurteilen aufgezeigt. Trotzdem scheinen Sie zu glauben, dass die Ideale der Arbeiters „ableitbar“ sind (nicht ihren zufälligen Inhalten nach, die gewiss historisch sind, sondern ihrem Sein nach). Die Existenz von Idealen kann aus einem Minderwertigkeitsgefühl (ebenso wenig abgeleitet werden, wie etwa aus den Produktionsmitteln. Das Minderwertigkeitsgefühl setzt sehen die Wertung voraus, die noch nur eine anders Form der Ideals ist. – Es ist erstaunlich, wie nach so scharfer Kritik der positivistisch-naturalistischen Oberflächlichkeiten selbst in einem so einfachen Zirkel befangen bleiben kann. [Wer ein Idealist sein will – und jeder sollte es wenigstens wollen – hat seinen Idealismus zu bewähren, wenn er der konkreten Wirklichkeit gegenübertritt.] Im deskriptiven Sinn habe ich gegen Ihren Psychologismus - __ nichts einzuwenden. Im Gegenteil: ich habe sehr viel Sachliches daraus gelernt. Ganz anders ist es aber, wenn er sich als eine Art Weltanschauung gibt. Dann ist es doch im einen Grad trivialer als der Ökonomismus. Denn dieser ist wenigstens an und für sich d.h. als eine Erkenntnis des Seindes Gegensatz zum Seinsol__der fundamental, und falls nicht einssitig übertrieben, eine der Errungenschaften menschlicher Erkenntnis überhaupt. Soweit das Sein das Denken sozial mitbestimmt, ist es tiefer und wahrer, dass die Produktionsweise als dass due „psychologische Situation“ der letzte Agens ist. Für eine Weltanschauung muss freilich beides gleichgültig sein. Es ist ebenso sinnlos die Gerechtigkeitsforderung des Proletariats aus seinem. „Minderwertigkeitsgefühl“ als aus der Konzentration der Produktion ableiten zu wollen. Ja bei Marx geschieht die letztere nie ausdrücklich. Nur Engels hat die Sache ins hoffnungslos Babale verzerrt. Nur der Inhalt der Gerechtigkeitsforderung ist bei Marx ausdrücklich historisch; bei Ihnen ist aber die Gerechtigkeit als Ideal selbst „abgeleitet“ und zwar psychologisch abgeleitet. Sie werden dem, ich fürchte, entgegenhalten, dass der Inhalt der Gerechtigkeit eben die Gerechtigkeit ausmache, worauf dann freilich jede Diskussion aufhört. Aber für Sie auch jede Hoffnung, ein konsequenter Idealist zu sein. (Die Max Adlerschen Versöhnungsbemühungen Marx-Kant sind deshalb nicht ernst zu nehmen weil 1. Er im Grunde seines Wesens selbst Relativist ist, das heißt, sich wenigstens in diesem Punkt nicht klar ist. 2. Weil nie den Mut gegen anders die Aufrichtigkeit gegen sich aufgebracht hat, den schreienden Widerspruch zwischen seiner und der Engelsschen Marxdeutung zuzugeben geschweige denn zum Hauptpunkt seiner Ausführungen zu machen, wie e seine Pflicht gewesen wäre. Ob er dazu zu feig war oder einfach nicht denkfolgerichtig genug, das mag und kann ich auch nicht entscheiden.)

Doch um wieder Kontakt mit Ihnen zu finden: Gemeinsam ist uns die Überzeugung dans:

  1. Die Arbeiterbewegung ein sittliches Phänomen ist,
  2. Dass die Quelle dieser Bewegung die unwiderruflich erfolgte Massen-erkenntnis der Ungerechtigkeit unserer Gesellschaftsordnung ist, (warum sie gerade jetzt erfolgt ist, ist hierfür gleichgültig)
  3. Dass der Reichtum, nicht die Armut de Stein des Anstoßes ist,
  4. Dass nicht die angebliche Schwäche der verfügbaren moralischen Kräfte das Kennzeichen der Weltkrisis ist, sondern im Gegenteil das plötzliche Anwachsen der moralischen Bedürfnisse und Forderungen der Masse, weit über die Möglichkeiten unserer Gesellschaftsordnung, ja vielleicht unseres Zivilisationstypus hinaus. Klarer ausgesprochen: die sozialistische Arbeiterbewegung hat ihnen Grund nicht im materiellen Elend der Arbeiter, sondern im unverdienten Wohlstand der Nichtarbeitenden, und die Ausdehnung der Gerechtigkeitsforderung auf die allgemein Zustände der Menschheit stellt unser gesamte Zivilisation vorerst in Frage, da außer für den illusionistischen Entwickungsoptimisten, der die Welt vor Katastrophe gefeit wähnt, keine Gewähr, dafür besteht und bestehn kann, dass die materiell Organisation der Menschheit durch diese Forderung – und sie ist unbedingt, so soll sie auch sein – nicht bis auf den Grund zerstört werden wird – ist Bolschewismus
  5. Dass der Sozialismus nichts andres ist als die Hoffnung, der Wille und der Weg diese Gerechtigkeit zu schaffen, ohne die Menschheit in die Steinzeit zurückzuwerfen,
  6. Dass die materialistische Motivation der Arbeiterbewegung durch den Marxismus psychologisch falsch ist, ich gehe wieter: falsch ist ohne Einschränkung, weil sie eine Widerspruch in sich selbst ist,
  7. Nicht nur falsch, sondern auch unlebensfähig, die Sache gefährdend.

Eine materialistisch geschulte Arbeiterschaft müsste gerade dann versagen wenn sie, zur Macht gekommen , die neue Welt aufzubauen hätten Materialistisch orientiert ist sie gegenrevolutionären nicht revolutionärer Stoff. Und nun zur Praxis: Ich hätte gleich Eingangs erwähnen sollen, dass Ihre Kritik eine auffallende Lücke aufweist: Das sozialistische Wirtschaftsprogramm scheint für Sie außerhalb der Diskussion zu stehen, Ihr Hauptwerk bietet den Eindruck, als ob Sie sich über die Zulänglichkeit dieses Programms keine Gedanken machen würden. Dieser Manbgel erklärt für mich fast im Ganzen die Schwäche Ihrer Stellung zu den praktischen Fragen der Arbeiterbewegung, zu den positiven Zielen der Gewerkschaft-, Genossenschafts-, Sozialisierungsbewegung, Ihren Stellung zum Gemeinde- und Staatssozialismus. Zu Grunde dieses Versagens im Grammatiker liegt wohl das Fehlen des Sinnes für wirtschaftstheoretische Fragen. Die Haupttatsachen, ohne die die Krise der Arbeiterbewegung nicht zu verstehen ist, sind hier:

  1. Das sozialistische Wirtschaftsprogamm hat sich nicht nur als zu vage, zu allgemein, zu wenig den realen Rinzelproblemen gewachsen, sondern einfach als falsch gezeigt,
  2. Die Führer der Kontinentalen Arbeiterbewegung sind im Stillen davon überzeugt, dass das kollektivistische Programm undurchführbar ist. Die russischen und ungarischen Erfahrungen haben das – trotz der „Unzulänglichkeit des Objekts“ (Kautsky) – erwiesen. Auch die deutschen und die österreichischen Nachkriegserfahrungen haben aufklärend gewirkt. Die Führer der Arbeiterschaft sind im Geheimen von schwersten defaitistischen Bedenken geplagt. Und der Kernpunkt dieser Bedenken ist: die Unzulänglichkeit des sozialistischen Programmes, des Wirtschaftsprogrammes.
  3. Denn das ABC der Sache, das Sie natürlich beherrschen, erschöpft leider die Frage such für den Fachmann. Es gibt bisher nur zweierlei Konzeptionen einer ausgedehnten Wirtschaftsgemeinschaft: die verkehrswirtschaftliche („kapitalistische“) und die verwaltungswirtschaftliche („sozialistische“). Die erstere, mag man sie nun Marktwirtschaft, kapitalistische Wirtschaft, Geldwirtschaft, Tauschwirtschaft oder wie immer anders nennen, hängt an den bekannten Kategorien Ware, Markt, Preis Tauschwert, Geld, u.s.f. – Die anders kennt diese Kategorien nicht. Sie ist warenlos, preislos, „wert“ ___, geldlos u.s.f.; sie ist naturalwirtschaftlich, sie verwaltet die Güter, die ist „sozialistischen“. Das wi_sen Sie natürlich. Gleichzeitig aber, wie die meisten Sozialisten, denken Sie nun offenbar gar nicht daran, eine geld- und marktlose, tausch- und preislose Naturalwirtschaft anzustreben. Sie legen sich dabei die Sache etwa zu zurecht: Das Endziel mag ja solche „Wirtschaft“ sein. Inzwischen wird man sich (in der „ersten Phase“ des Sozialismus) mit dem Geld, dem Markt u.s.f. abfinden. Aber dieser Inzwischen ist eine bloße Illusion.

Erstens – sachlich – weil man sich an ein undurchführbares Endziel auch stufenweise nicht annähern kann, wird doch dadurch seine Undurchführbarkeit nicht aufgehoben. Zweitens – politisch – weil im Bewusstsein, sich einem unmöglichen Elndzustand zuzubewegen, die Kräfte auch dann versagen müssen, wenn man sich mit dem halben Weg begnügen wollte. Drittens, - und dies praktisch das Entscheidende __ und darum auch am entschlossensten vor den Massen und vor sich selbst verheimlicht – hängt die „Stufenmässigkeit“ des Fortschreitens gar nicht von der Arbeiterschaft allein ab.

Im höheren und bedenfalls praktisch entscheidenden Mause hängt es von den Gegnern der Arbeiterschaft – die Grossbankiers, die Finanzmagnaten, die Industriekapitäne – kennen sehr genau die wahre Schwäche der Arbeiterbewegung, eben die Undurchführbarkeit ihres Wirtschaftsprogramms. Sie wissen auch, dass sich diese entscheiden Schwäche nur solange überdecken lässt, als die Arbeiterschaft nicht zur vollen Realisierung ihres Programms gezwungen wird. Deswegen haben sie in der Vergangenheit und werden sie auch der Zufunkt Teilsozialisierung, trockene Sozialsierungen u.s.f. als Anlass benützen, die Gesamtwirtschaft zum Stillstand zu bringen zu sabotieren und die Arbeiterschaft zur Übernahme der herrenlos gewordenen Gesamtwirtschaft zu zwingen! Siehe Italien (Ungarn, und im wesentlichen auch Russland wo, was _____ wenig bekannt ist, die Sabotage der Industriekapitäne den „Kriegskommunismus“, das heißt die Vollsozialisierung der Industrie veranlasst hatte. Während dem die verschiedenen Internationalen darüber diskutieren ob sie die Revolution „machen sollen“ oder sich ist ie Wahrheit die, dass sie sie machen werden müssen ob sie wollen oder nicht, weil die Kapitalisten entschlossen sind, die Arbeiter gegebenenfalls zur Übernahme der ganzen Wirtschaft zu zwingen (was mit jener „Revolution“ gleichbeteutend ist.) Auch Sie sind der Illusion ___ in der Illusion befangen, die der letzte Strohhalm ist an welchem sich die kontinentalen Sozialdemokraten _______ da sie die Möglichkeit einer kollektivistisch Wirtschaft versinken sehn; der Illusion der Gradualität, der Stufenmässigkeit. Gewiss ist dieser Weg nicht nur der einzig richtige, sondern auch ohne Zweifel der ein__ winskar. Als dass man ihn nur zu _______ – eine durch die Tatsachen nationale 1914 und ähnlichen verantwortungslosen Leichtsinns mehr. Zusammenfassend; Der Glaube, dass die Undurchführbarkeit des sozialistischen Wirstchaftsendziels praktisch ausgaschltet werden kann indem man evolutionär vorgeht beruht auf der naiven Annahme, dass der Gegner – ein entschlossener und vorerst geistig überlegener Gegner – nichts mitzureden hätte. Er vermag das Proletariat – die Logik einer Massenbewegung genügte dazu, wäre nicht noch die Logik der Tatsachen das, die solchenfalls entscheidend sein muss. – stets zur Übernahme der ganzen Macht damit der ganzen Wirtschaft und damit zur Verwirklichung seines ganzen Programms zu zwingen. Die Gegenrevolution ist dann nur eine Frage von Jahren, Monaten, Wochen oder Tagen – je nach dem. Und zwar die wirkliche Gegenrevolution. Nicht jene angeblichem deren Machtposition geflissentlich überschätz wird, nämlich die Gegenrevolution der Arbeiterschaft, solange diese kämpft und strebt, gegenüberstanden Kapitalismus und ihres Anhangs, sondern die Gegenrevolution der Arbeiterschaft selbst, die eben nicht mehr kämpft und nicht strebt, sondern ihre Führer enttäuscht davonjagt und in Herzen und Gewissen Gegenrevolution wird! Die ______ _____ ____ __ die kon___ ______ - mit Recht - _____.

Nun wären wir an dem Punkt angelangt wo wie bei Ihnen mangelnde Kritik am sozialistischen Programm und da Versagen Ihrer sonstigen Kritik in den praktischen Fragen der Arbeiterbewegung kmiteinander zusammenhängen. Ist es doch klar dass __ praktischen Formen der Arbeiterbewegung strukturell auch durch Wirtschaftsprogramm mitbestimmt sind und dass eine Reform dieser Praxis eine reform jenes Programms bedingt. In der Tat: Eine jede idealistische Fassung des Sozialismus hat zweirle zu herwalkgen: Erstens das Wirtschaftsprogramm des Sozialismus zu revidieren, zweitens das praktischen Formen der Arbeiterbewegung im Sinn und im Geist des neuen Programms umzuwandeln.

Damit gelangen wir zu einem Punkte wo man „in aller Kürze“ auch das Wesentlichste kaum mehr sagen kann.

Also ich skizziere bloß.

I Revision der Wirtschaftstheorie des Sozialismus

Die Alternative: Verkehrswirtschaft gegen verkehrslose Wirtschaft (Marktwirtschaft gegen marktlose Wirtschaft ______ ) ist zu überwinden. Nicht die Kategorien Ware, Geld, Preis, u.s.f. sind von Sozialismus aufzugeben sondern ihre Funktionen sind der Gesellschaft dienstbar zu machen. Die Maschinen stürmer wollten die Maschinen zertrümmern, statt sie auch zu ihren eigene Zwecken zu nützen. Auf einer höheren Ebene wiederholt sich jetzt die Maschine stürmerei in dem naiven und verhängnisvollen Ansturm des Sozialismus gegen die Kategorien Ware, Preis, u.s.f. Die Überwindung dieser naiven Begriffsstürmerei ist durch die Relativisierung dieser Kategorien erzielen. Es kann eben etwas mehr oder weniger Ware, mehr oder weniger Geld und sein, je nachdem der Markt für den die Ware produziert und mehr oder weniger ein Markt ist und so fort. Einen „absoluten Markt“ gibt es überhaupt nur in der kapitalistischen Utopie. Eine Wirtschaft (zum Beispiel) in der Produzentengilden auf Bestellung für Konsumentengruppen (Gemeinden, Genossenschaften) produzieren würden, würde nur mehr die Rudimente eines „Marktes“ aufweisen. Wofür wir zu sorgen haben ist, dass eine „Rudimente“ ntigbleiben, die lebenswichtige Funktionen ausüben! Die Preiserscheinung z.B. ist heute eine quasi-Naturerscheinung, vernichtend wie eine Springflut. Gezähmt und durch die Wirtschaftsorganisation zu dienenden Element gemacht, bleibe von ihr nur ein Anzeiger übrig wie die Wassersäule in einem Manometer. Diese kühnen Bilder mögen Sie nicht erschrecken. Sie sind nur die Zeichensprache für ganz einfache Gedanken: 1. Dass, die vom Marxismus bekämpften Wirtschaftskategorien erst begrifflich beherrscht (analysiert und relativisiert) werden müssen ehe sie praktisch (im Wege der sozialen Organisation) beherrscht werden können. 2. Dass die Beherrschung durch die soziale Organisation natürliche nicht durch utopistische Konstruktionen im Sozialen sondern nur durch eine reale, organische Umwlandung und Umorganisierung des sozialen Geweben möglich ist und 3. dass diese Unwandlung ohne von uns recht begriffen zu werden bereits im vollen Gang ist und dass sie bewusst zu machen, ihr neue persönlichste kräfte zur Verfügung zu stellen eben die Leistung eine idealistischen Sozialismus sein müsste.

Doch damit ist erst eine Seite der wirtschaftstheoretischen Revision berührt, ___ die gewissermaßen des Feld begrifflich freizumachen hat: Die Ablohnung der Begriffstürmerei, die Relativisierung der s.g. kapitalistischen Kategorien durch die Idee, diese Kategorien in Funktionen aufzulösen, die nicht zu vernichten sondern zu beherrschen sind.

Eine weitere Notwendigkeit ist selbstverständlich die Theorie jener Wirtschaft selbst ____, die sie Alternative: Kapitalismus oder Kollektivismus überwindet. Man kann das auch die Theorie einer gildensozialistischen Wirtschaft nennen, wie wohl dieser Ausdruck irreführen mag indem er zu eng verstanden würde.

Es ist drittens klar, dass diese Wirtschaftstheorie sich von einer „kapitalistischen“ Wirtschaftstheorie - __ nur in diesem Sinne ist es mehr als eine Phase, von einer solchen zu sprechen – fundamental unterscheiden müsste, Was die theoretische Nationalökonomie („Grenzunitzeilehre“) auch heute schon lehrt – sie ist eine der größten Errungenschaften der Wirtschaft – bliebe natürlich unangetastet. Aber jenseits von ihr hebt erst unsere Aufgabe an.

Diese Werte sind: Ein Übersichtlichwerden, ein Überschaubarmachen sozialwirtschaftlicher Vorgänge in gewissen Umkreisen und in gewissen Hinsichten (eine gleichzeitige Übersicht über das Ganze ist undenkbar; da liegt der Kern der kollektivistischen, verwaltungswirtschaftlichen Illusion.) Denn nur soweit die Übersicht, der Überblick reicht gibt es Verantwortung und daher Freiheit. In dieser Hoffnung auf die Möglichkeit steigender Verantwortlichkeit und damit zunehmender Freiheit im Sozialwirtschaftlichen liegt ein Wesenselement des Sozialismus. Die „sozialisierung“ (im weitesten Sinne) des Konsums in Genossenschaften Gemeinden u.s.f. ist ja Sozialisierung doch eben nur darum weil diese S. Wirtschaftselemente integriert und überschaubar ____. Hasst die in ihrer Vereinzeltheit unerfassbar wären. Dieses Übersichtsproblem ist unausgesprochen von jeher auch Marxistischen Sozialismus zugrunde gelegen. Wenn Marx von der Konzentration, Zentralisation u.s.f. der Produktion den Sozialismus erwartet so wohl doch offenbar deshalb sie etwas übersichtlich machen, was sonst unerfassbar bliebe.

Aber der entscheidende Mangel des Übersichtsproblems in dieses _____ primitiviert Form war, dass dabei nur an eine äußere Übersicht gewissermaßen an eine Vogelschau (von ___ ___ oben) gedacht wurde. Das ist völlig unzulänglich. Wesentliche Elemente der Wirtschaft – Bedürfnisse und Arbeitsleid – sind psychologischer Natur. Diese unterliegen nur der inneren Übersicht durch Einfühlung und Miterleben und sind daher nur im Rohmen menschlicher Verbänden realisierbar, wenn der Bestand dieser Verbände aus Motivationen hergeleitet wird, die diese Elemente enthalten. Doch darüber habe ich mich der Ihnen zugeschickten Schrift im „Kampf“ („Neue Wege unserer Theorie und Praxis“) ausführlich verbreitet.

Neben der Übersicht als dem einen aus dem ideellen Inhalt des Sozialismus abgeleiteten Geschichtspunkt für eine sozialistische Wirtschaftstheorie steht als andres Elemente der Funktionswandel der Wirtschaftskategorien und ihre Beherrschung da (wie oben augt____)

II Die praktischen Formen der Arbeiterbewegung

Es ist klar, dass durch eine Neuerfassung der sozialistischen Ziele sich auch Sinn und Bedeutung der bereits bestehenden Formen der Arbeiterbewegung wandeln müssen. So wichtig das als eine Voraussetzung des Folgenden ist so würde das an sich noch nicht genügen. Ein bloßes Umdenken der Welt ändert noch die Welt nicht. Nur soweit das Andersdenken auch andere dauernde Beziehungen zwischen den Menschen schafft, einen organisatorischen Ausdruck erhält, ist Denkänderung auch Seinsänderung.

Der organisatorische Ausdruck für all dies wäre aber eine Bewegung zur Umgestaltung der Arbeiterschaft im Sinne gesteigerten sozialistischen Bewusstseins. Dass ___ auf Grund der „Marxistischen Weltanschauung“ und auf ein sozial jenseitiges Wirtschaftsprogramm hin gerichtet nicht möglich ist, - das ist der Grund warum jene Weltanschauung und jenes Programms auch praktisch schon heute versagen. Diese Einsicht wird es Ihnen vielleicht asn klarsten machen warum die bei Ihnen fehlende Kritik am Wirtschaftsprogramm Ihnen den Weg zu Revision der Praxis der Arbeiterbewegung verlegt.

Dass dem aber so ist darüber kann Zweifel. Herrischen eine Bewegung zur sozialistischen Selbstschulung der Arbeiterschaft ist nur möglich, wenn nicht mehr bloß mit der Forderung „Sozialist im Allgemeinen“ zu sein an den Einzelnen herangetreten wird. Im Allgemeinen: vermeg keiner ein besselbd Sozialist als der anders zu sein. Wo aber heute dem Arbeiter konkrete Aufgeben gegenüberstehn, in der Gewerkschaft, in der Genossenschaft ist er überhaupt nicht Sozialist. Der sozialistische Sinn dess, Gewerkschaftler, Genossenschaftler u.s.f. zu sein ist nicht angebbar oder bloß in Phrasen scheinbar abgebbar. Dem besseren Sozialisten in der Gewerkschaft, in der Genissenschaft, in der politischen Organisation im sozialisierten Betrieb, in der Misterorganisation, in der Siedlung, in den unzähligen kulturellen, geistigen, sportlichen und geselligen Verbänden auch die einfache, klare, seinen Kräften angemessene Bewährungsmöglichkeit zu bieten, das ist heute unmöglich! Die materialistische Motivation der Marxistischen Weltanschauung und der verwalungswirtchaftliche Kadavergehorsam der kollektivistischen Utopie nehmen dem jeden Sinn und Grund. Die sozialistische Umdeutung der Organe der Arbeiterbewegung, wie sie ist, soll dem hesseren Sozialisten im Rahunby jede dies das konkrete Terrain zur sozialistischen Höheraktivität und damit nicht nur die Pflicht sondern, was in diesem Falle wichtiger ist, auch das Recht zu dieser Höhenraktivität geben.

Damit eröffnet sich der Flick auf eine ganze Welt des Sozialismus innerhalt der Arbeiterbewegung. Welch unabsehbare Mannigfaltigkeit von Formen sie annehmen mag, brauche ich Ihnen als einem Kenner der Arbeiterbewegung aller Länder nicht ____ auszumalen.

Ausdrücklich ablehnen aus ich hiebei das mögliche Missverständnis einer antipolitischen Einstellung. Das politische Mittel und die dadurch erringbare Macht im Eltaate ist von der aller grössten Wichtigkeit. Insbesondere auch, weil die politische Macht eines (leisten gewiss) kann, dessen Tragweits heute noch garnicht erkannt wird: freie Bahn für die Arbeiterbewegung zu schaffen, für die Selbstorganisierung der spontan aus einer sich selbst bewusst werdenden Arbeiterbewegung entspriegessenden Kräfte, politische kulturell, und wirtschaftlich.

Diese Ausführungen sind für einen Brief zu lang, für eine Abhandlung zu kurz geraten. Sollte Ihnen dies oder jenes daran etwas sagen so werde ich darauf gerne und zwar dann nicht mehr kritisch sondern zusammenhängend eingehen. Aber einem Zweck mögen sie vielleicht gedient haben! Dem: Zu gegen, wie viel zu ___ ware. Denn nur ein kleiner Teil der Probleme ist hier angeschnitten worden, gegenrevolutionär wird! Die dunkle Ahnung davon ist jenes rätselhafte etwas das die kontinentale Sozialdemokratie – mit Recht – vor der Übernehme der Macht immer wieder zurückschrecken lässt. Ihre Stufenmässigkeit ist darin - haben die Kommunisten recht – nur ein Vorwand um die ganze Macht nicht übernehmen zu müssen. Aber sie tun recht daran denn – das ist es was die Kommunisten nicht begreifen – diese ganze Macht wäre auch die ganze Ohnmacht. Der Ausweg: eine Stufenmässigkeit die sich aus ein richtiges Endziel richtet enthilte alle diese Widersprüche nicht. Dann könnte man im Kampf um dieses Endziel stets die ganze Kraft einsetzen ohne befürchten zu müssen dass man damit bloß in einen kapitalistischen Hinterhalt gerät. Und die Stufenmässigkeit würde sich iben aus der Notwendigkeit ergeben, den Widerstand der Kapitalosten niederzuringen ohne dabei das bereits Errungens wieder aufgeben stellen würde der ihnen hindert mehr zu erlangen. Aber die jeweils erreichte Stufe müsste dann auch an und für sich eine Errungenschaft darstellen, einen Wert den es sich zu verteidigen lohnt und der als konkreter Zustand auch zu verteidigen ist.

Text Informations

Reference:
KPA: 47/04
Other Languages:

Lge Name
EN To a Comrade (1927)
FR A un camarade (1927)